Sichere Baumfällung
Sie haben eine Seilwinde – passt die Ausrüstung?
Seit Jahren nimmt die Zahl der im Privatwald eingesetzten Dreipunkt-Anbauseilwinden stetig zu. Sofern die grundlegenden Sicherheitsregeln beachtet werden und Winde sowie Zubehör in Ordnung sind, bringt der Seilwindeneinsatz ein deutliches Plus an Sicherheit bei der Waldbewirtschaftung.
Die meisten Dreipunktseilwinden verfügen über eine maximale Zugkraft zwischen 40 und 80 Kilonewton (KN), was etwa 4 bis 8 Tonnen entspricht.
Da diese enormen Kräfte aber auch unkontrolliert frei werden können, ist es wichtig, sich immer wieder mit der Auswahl und dem Zustand der Seilwindenausrüstung zu befassen.
Doppelte Windenzugkraft lautet die Sicherheitsformel
Jeder kennt den Spruch: „Eine Kette ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied“. Gleiches gilt für die Kraftübertragung von der Seilwindentrommel zum angehängten Stamm. Das gesamte System aus Seil, Seilendverbindung, Seilgleitern und Anschlagkette muss den maximal auftretenden Zugkräften sicher standhalten. Ist nur ein Teil beschädigt oder zu schwach dimensioniert, kann es zu schwersten Unfällen kommen. Insbesondere bei einem Kettenriss kann das beschleunigte Restmetall mit enormer Energie Richtung Schlepper fliegen. Dies gilt gleichermaßen für Stahl- und Kunststoffrückeseile. Deshalb müssen alle Komponenten mindestens das Doppelte der maximalen Windenzugkraft aushalten. Da Seile wie Ketten bei der Waldarbeit einem hohen Verschleiß ausgesetzt sind, ist eine ständige Überprüfung auf Materialschäden unabdingbar.
Am Beispiel einer Seilwinde mit der maximalen Zugkraft von 55 KN (ca. 5,5 t) bedeutet dies konkret:
- das Windenseil muss eine Mindestbruchkraft von 110 KN aufweisen (Seilzeugnis des Herstellers)
- die Seilendverbindung muss vorschriftsmäßig hergestellt sein („DIN“-Verpressung oder Flämisches Auge)
- bei Verwendung eines Seilgleithakens muss dieser zum Seildurchmesser passen
- Ketten und Zubehör, wie z.B. Seilgleitbügel mit Verkürzungslasche, müssen mindestens für eine Zugkraft von 55 KN vom Hersteller zugelassen sein. Dies bedeutet hier konkret, wer mit handlichen 8mm Ketten arbeiten will, benötigt Ketten in Güte 10 und entsprechende Seilgleiter.
Die Seilwinde als Fällhilfe
Mit Seilwindenunterstützung kann auch bei Rückhängern, großkronigen Bäumen oder bei Starkholz die Fällung kräfteschonend und sicher durchgeführt werden. Darüber hinaus ist die seilunterstützte Fällung bei Totholz oder Bäumen mit starken Totästen das Mittel der Wahl, sofern kein Harvester zur Verfügung steht.
Voraussetzung für ein Plus an Sicherheit und Qualität ist die Kenntnis des fachgerechten Arbeitsverfahrens und die entsprechende Ausrüstung.
Ein langer Hebel vermindert den Kraftaufwand
Zunächst ein kleiner Exkurs in die Physik. Bei der seilunterstützten Fällung greift das Hebelgesetz. Die Bruchleiste ist unser Drehpunkt, und die Anschlaghöhe (Anhängehöhe) markiert die Hebellänge. Es gilt der alte Spruch: „Gewaltig ist des Waldbauern Kraft, wenn er mit einem Hebel schafft“. Denn das Hebelgesetz wirkt linear, das heißt doppelte Anhängehöhe bedeutet halber Kraftbedarf. Soweit so gut. Man könnte nun denken, eine starke Seilwinde packt das bei 2 Meter Anschlaghöhe auch. Das mag zwar unter Umständen so sein, aber bei niedriger Anhängehöhe wirken extreme Scherkräfte auf die Bruchleiste. Die Gefahr, dass die Bruchleiste unter dieser Belastung vorzeitig bricht, und der Baum unkontrolliert fällt, ist groß. Deshalb sind für eine fachgerechte, seilunterstützte Fällung mindestens 5 Meter Anschlaghöhe erforderlich.
Das Seil vom Boden aus befestigen
Das Anschlagen des Seiles in 5 Meter Höhe könnte mit Hilfe einer Leiter erfolgen, oder man steigt am Stamm hoch. Diese Varianten sind umständlich, vor allem aber unfallträchtig. Aus diesem Grund wurde am Forstlichen Bildungszentrum Königsbronn in Baden-Württemberg eine Anschlagtechnik entwickelt, mit der vom Boden aus eine Anhängehöhe von 5 bis 6 Metern erreicht werden kann. Dieses Verfahren wird als Königsbronner Anschlagtechnik (KAT) bezeichnet.
Der Forstfachhandel bietet komplette KAT-Ausrüstungen bestehend aus einem Kunststoff-Fällhilfeseil (ummanteltes Dyneemaseil 12m-20m mit 2 Endschlaufen), zwei Schäkeln und einem Teleskopgestänge mit Schubhaken an. Ist der Stamm bis zur Anhängehöhe astfrei, kann das Seil in Reichhöhe um den Stamm geschlungen und mit dem Schäkel gleich eine Schlaufe geformt werden. Nun die Schlaufe mit Hilfe des Schubhakens den Stamm entlang bis auf eine Höhe von 5 bis 6 Meter schieben. Der zweite Mann zieht die Schlaufe langsam zusammen und achtet darauf, dass das Seil im Schäkel in Zugrichtung nicht zu stark abknickt, da Kunststoffseile die volle Bruchkraft nur in Längsrichtung aufweisen.
Verhindern tiefer angesetzte Äste ein Hochschieben des Seils, wird der Schäkel in den Schubhaken eingelegt, am Baum bis zu einem Ast in Anschlaghöhe hochgeschoben und über den Ast geschubst. Bei mehreren Ästen muss dieser Vorgang gegebenenfalls wiederholt werden. Anschließend wird der Schäkel mit Hilfe des Schubhakens heruntergezogen und analog zur astfreien Variante im Schäkel eingeschlauft.
Mit dem zweiten Schäkel wird nun die Verbindung zwischen dem angeschlagenen Seil und dem Zugseil der Seilwinde hergestellt. Hierzu benötigt man eine Seilendverbindung in Form einer Schlaufe, z.B. Flämisches Auge.
Oftmals ist ein umgelenkter Zug bei der seilwindenunterstützten Fällung sinnvoll, hierfür ist eine Umlenkrolle und eine Befestigungsschlinge erforderlich.
Analog zum Flaschenzug kann die auftretende Kraft je nach Seilwinkel bis zum doppelten der maximalen Windenzugkraft ansteigen.
Dieser Zusammenhang ist für Anschaffung und Einsatz einer Umlenkrolle entscheidend, denn hier treten die höchsten Kräfte auf. Damit die Ausrüstung diesen Kräften standhält wird unabhängig vom Seilwinkel grundsätzlich eine Kraftverdopplung unterstellt.
Bleiben wir wieder beim Beispiel mit der 55 kN Seilwinde, hier werden Umlenkrolle, Befestigungsschlinge und der Ankerbaum mit bis zu 110 kN (11 t) tatsächlich belastet. Eine für dieses Beispiel geeignete Umlenkrolle, muss also für eine Belastung von mindestens 110 kN zugelassen sein. Falls auf einer Umlenkrolle keine Angaben zur Belastbarkeit erkennbar sind, ist deren Verwendung ausgeschlossen.
Zusammenfassend ist nachfolgend eine sinnvolle und vorschriftsmäßige Seilwindenausstattung für Holzrückung und seilwindenunterstützte Fällung, am Beispiel einer 55 KN Seilwinde aufgelistet.
Eine überprüft und voll funktionsfähige Seilwinde (Bremse, Kupplung, Überschneidung,…) ist hierbei eine Grundvoraussetzung.
- Seilwindenseil mit 110 KN Mindestbruchkraft, keine wesentlichen Seilschäden (Ablegereife siehe DGUV Information 214-060)
- Seilendverbindung als Schlaufe in vorschriftsmäßiger Ausführung
- Seilgleithaken passend zum Seildurchmesser
- z.B.: zwei Seilgleitbügel mit Verkürzungslasche mit einer zulässigen Zugkraft bis 60KN
- z.B.: zwei Chokerketten 8mm Güte 10 (zul. Zugkraft 60KN) mit Forstschlinghaken und Durchstecknadel (Anmerkung: Das Rücken mit Ketten kann mit verschiedenen Systemen erfolgen, wichtig ist, dass diese für die maximale Seilwindenzugkraft ausgelegt sind!)
- Fällhilfeseil (KAT-Seil) mit min.12m Länge und einer Mindestbruchkraft von 110 KN, ohne Seilschäden (Ablegereife siehe DGUV Information 214-060)
- zwei Schäkel mit Schraubbolzen, die für eine Belastung von mindestens 5,5 t bei doppelter Sicherheit ausgelegt sind
- eine Teleskopstange mit Schubhaken zum hohen Anhängen des Fällhilfeseils
- eine Umlenkrolle die vom Hersteller für die Verwendung mit einer 55 KN Winde freigegeben ist (z.B. FTF 6,0)
- eine Rundschlinge, die geschnürt für eine Belastung von mindestens 110KN oder für die Verwendung in Verbindung mit einer 55KN Winde (z.B. FTF 6,0) ausgelegt ist
In folgenden Kursen der Bayerischen Waldbauernschule wird die Seilwinde und deren Ausstattung bzw. die seilunterstützte Fällung behandelt:
- Arbeiten mit der Seilwinde (2-tägig)
- Wiederkehrende Seilwindenprüfung (1-tägig)
- Motorsägen-Fortgeschrittenenkurs (4-tägig)
Darstellungen zur seilunterstützten Fällung mit der Königsbronner Anschlagtechnik finden Sie unter folgenden Links:
Die Broschüre „Seilarbeit im Forstbetrieb“ gibt es als PDFzum kostenlosen Download unter:
Das Seilwindentypenschild gibt Auskunft über die Zugkraft.
Ausrüstung für die Königsbronner Anschlagtechnik: Teleskopstange mit Anschlagkralle, darunter eine Teleskopstange mit Gleitschubhaken und ein Fällhilfeseil mit Schäkel.
Umlenkrolle mit 16 t Zugkraft (für Seilwinden bis 8 t Zugkraft).
Seilunterstützte Fällung mit umgelenktem Zug.
Um das Fällhilfeseil für die Königsbronner Anschlagtechnik korrekt zu befestigen, braucht es zwei Personen.